23.03.2022

Landtagswahlen 4

Bündnis 90/Die Grünen · Jürgen Klug

Interview von Matthias Koprek

In Rubrik: Wirtschaft | Aus Magazin Nr: 166

5 min Lesezeit

Mit welchen drei Hashtags würden Sie sich selbst beschreiben?

#Kontaktfreudig

#Inklusiv

#Vorwärtsgewandt

Wieso haben Sie sich 2019 entschieden, sich politisch zu engagieren?

Während der Coronapandemie war auch ich gezwungen, mehr daheim zu sein. Ich habe mir Gedanken dazu gemacht, wie ich mich neu und anders in die Gesellschaft einbringen kann. Außerdem wollte ich bestimmten Entwicklungen, wie zum Beispiel dem Klimawandel und dem Erstarken der AfD, aktiv entgegenwirken.

Welche politischen Ämter haben Sie bisher ausgeübt?

Ich bin Sprecher des Ortsverbandes in Soest. Außerdem sitze ich in den Ausschüssen für Jugendhilfe, Kultur, Bürgerbeteiligung und Soziales sowie im Arbeitskreis Teilhabe.

Warum haben Sie sich entschlossen, für den Landtag zu kandidieren?

Auch aufgrund meiner eigenen Behinderung ist das Thema Inklusion für mich sehr wichtig. Wenn man sich die Parlamente anschaut, sieht man kaum Parlamentarier mit sichtbaren Behinderungen. Daran muss sich etwas ändern und das hat mich bewogen, für die Grünen zu kandidieren.

Was waren Ihre bisher größten politischen Erfolge?

Wir sind in Soest auf einem guten Weg, die Innenstadt autoärmer zu gestalten und die Radwege auszubauen. Es gelingt uns ein Gehör für die Klimaproblematik zu finden und die Klimaveränderungen voranzutreiben. Außerdem bin ich der Meinung, dass wir eine gute Jugendarbeit leisten und einen guten Kontakt zu den Jugendämtern pflegen. Es ist uns gelungen, die Stellen im Bereich der Jugendhilfe und Sozialarbeit auszubauen.

Welche Punkte stehen ganz oben auf Ihrer politischen Agenda?

Die Energiewende ist sicher ein ganz wichtiges Thema. Ich will den Ausbau regenerativer Energie vorantreiben. Wenn wir unabhängiger von russischem Gas und Öl wären, dann wäre es für uns auch einfacher Haltung im aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zu zeigen (Anm. d. Red.: Interview wurde vor Kriegsausbruch geführt). Wir werden die Folgen durch höhere Energiekosten zu spüren bekommen.

Der zweite große Bereich ist der Bildungssektor. Wir sehen gerade auch an den Schulen in Nordrhein-Westfalen noch immer miserable Zustände. Die Schulen sind zum Teil in einem maroden Zustand und die Digitalisierung im Bildungsbereich muss vorangetrieben werden.

Und mein Spezialthema ist natürlich die Inklusion. Es gibt immer noch viel zu wenige Menschen mit Behinderung, die in ganz reguläre Schulen gehen. Der Arbeitsmarkt ist immer noch nicht so ausgestattet, dass Menschen mit Behinderung die Möglichkeit haben, auf dem freien Arbeitsmarkt eine Stelle zu bekommen.

Was würden Sie politisch sofort ändern, wenn Sie jetzt einen Wunsch frei hätten?

Ich würde mir wünschen, dass Menschen in Werkstätten für Behinderte mehr Lohn bekommen. Die leben häufig nur von einem Taschengeld. Der Durchschnittslohn eines Arbeitnehmers in einer solchen Werkstatt beträgt 1,35 Euro.

Würden Sie sagen, die müssten unter das Mindestlohngesetz fallen?

Ja, definitiv.

Sie sitzen selbst im Rollstuhl und beraten insbesondere Tourismusunternehmen zur Barrierefreiheit. Wie ist es denn um die Barrierefreiheit im Kreis Soest bestellt?

Betroffene berichten mir häufig, dass der Zugang zu Freizeiteinrichtungen sehr eingeschränkt ist. Und das erlebe ich natürlich auch. Es gibt immer noch viel zu wenige Restaurants, Kneipen, Diskotheken, wo du als Rollstuhlfahrer barrierefrei reinkommst. Gleiches gilt für Kinos. Lediglich das im Schlachthof ist barrierefrei. Es gibt auch noch Geschäfte in Soest, wo man nur über den Hintereingang reinkommt oder vor der Tür bedient werden kann. Da gibt es in vielen Bereichen einen großen Nachholbedarf.

Kennen Sie eine Stadt, die bei der Barrierefreiheit besonders gut aufgestellt ist und Soest als Vorbild dienen könnte?

Deutschland hat bei dem Thema leider sehr nachgelassen. Tatsächlich gibt es viele Länder, die vor 20 oder 30 Jahren noch gar nicht an Barrierefreiheit gedacht haben. Damals waren wir schon weiter als die. Mittlerweile haben uns aber viele Länder längst überholt. Ich bin gern in Spanien unterwegs, und dort wird vieles sehr gut umgesetzt. Man kann dort gar keine Kneipe eröffnen, wenn die nicht barrierefrei ist. In Deutschland ist das nach wie vor unproblematisch. Griechenland ist auch gut dabei. Frankreich hat lange nichts gemacht und holt extrem auf.

Gibt es in der EU keine einheitlichen Standards für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum?

Doch, die gibt es, aber die werden in Deutschland nicht oder zu wenig umgesetzt.

Sie sind auch als Kabarettist tätig. Planen Sie neue Auftritte, jetzt wo es wieder möglich ist?

Ich habe ein Programm in der Schublade, aber tatsächlich ist es momentan zeitlich leider nicht möglich. Durch meine anderen Tätigkeiten und die Politik muss das Kabarett ruhen.

Wer ist Ihr Lieblingskabarettist?

Urban Priol finde ich gut. Außerdem war ich immer ein großer Anhänger von Dieter Hildebrand. Das ist mein kabarettistisches Vorbild.

Warum sollten die Wählerinnen und Wähler Ihnen ihr Vertrauen schenken?

Weil ich hochmotiviert bin. Ich will die Ziele, die ich gerade genannt haben, im Landtag umsetzen. Ich denke, ich bin ehrlich und in der Lage mich selbst gut zu reflektieren. Das heißt, dass ich auch Fehler eingestehen kann, was in der Politik ja nicht oft der Fall zu sein scheint.

Wobei können Sie am besten entspannen?

Musik ist etwas, was mich trägt, und wobei ich gut entspannen kann.

Welche Musik hören Sie gern?

Die Beatles sind eine Band, die ich nach wie vor gern höre. Aber es kommt immer auf die Stimmung an. Bei Brunch und Nirvana kann ich ebenso gut herunterkommen. Manchmal hilft es auch mal musikalisch Dampf abzulassen.