23.03.2022

Landtagswahlen in NRW 5

Die Linke · Roland Linnhoff

Interview von Matthias Koprek

In Rubrik: Wirtschaft | Aus Magazin Nr: 166

5 min Lesezeit

Mit welchen drei Hashtags würden Sie sich selbst beschreiben?

#Humorvoll

#Konsequent

#Zielstrebig

Warum ist Die Linke Ihre politische Heimat?

Weil das für mich die einzige Partei ist, die keine Lobbyisten in ihren Reihen hat. Wir sind die einzige Partei im Bundestag, die sich selbst finanziert. Das heißt, wir nehmen keinerlei Parteispenden von Konzernen an. Wir finanzieren uns über Mitgliedsbeiträge. Außerdem geben alle Parteimitglieder, die in einer Funktion sind, die Hälfte ihrer Gehälter an die Partei ab. Auf Bundes-, Landes- und Kreisebene. Und Die Linke ist die einzige Partei, die wirklich die Interessen der Arbeitnehmer und all derer vertritt, die weniger haben und denen es schlechter geht.

Welche Ämter hatten Sie bisher inne?

Ich bin sachkundiger Bürger im Bereich Ordnungsamt und Rettungsdienstangelegenheiten. Außerdem bin ich im Sozialausschuss vom Kreis Soest. Zudem bin ich im Kreisvorstand der Partei.

Was waren Ihre bisher größten politischen Erfolge?

Ich war im Hambacher Forst sehr aktiv. Wir haben zum Beispiel für die Abschlusskundgebung einen Bus organisiert und sind dort hingefahren. Obwohl man uns seitens der Polizei versucht hat aufzuhalten, hat die Aktion etwas gebracht.

Vor Ort sind wir zurzeit sehr aktiv gegen die Querdenkerszene, weil dort auch viele Nationalsozialisten und Radikale mitlaufen. Wir halten Mahnwachen in Lippstadt und Soest ab.

Was fehlt Ihnen in der aktuellen Politik?

Das größte Problem in der Politik in Deutschland ist der Lobbyismus. Vertreter der Parteien setzen sich nicht für die Interessen der Wähler ein, sondern für die Großkonzerne, von denen sie bezahlt werden. Das hätte es früher nicht gegeben. Mein Opa war alter SPDler und Ortsvorsteher. Wenn der das wüsste, würde er sich im Grabe umdrehen. Solche Leute wie Willy Brandt oder Helmut Schmidt, die müssten wieder her.

Welche Punkte stehen ganz oben auf Ihrer politischen Agenda?

Als Erstes würde ich für einen Ausstieg aus der Braunkohle kämpfen. Unser Kreisbrandmeister hat dieser Tage erschreckende Zahlen vorgestellt. Von 2000 bis 2010 gab es im Kreis Soest sieben schwere Unwetterlagen. Von 2011 bis 2021 waren es schon 27. Die Feuerwehr rechnet jedes Jahr mit einer 2,5-fachen Steigerung der Starkwetterlagen. Das zeigt uns, dass der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist und wir eigentlich nur noch Schadensbegrenzung machen können. Deshalb sofort raus aus der Braunkohle. Das muss aber sozialverträglich gemacht werden.

Sie fordern höhere Löhne, Sozialleistungen und Renten, mehr Investitionen, Klimaneutralität, kostenlosen ÖPNV und den eben besprochenen sofortigen Braunkohleausstieg. Klingt gut, aber auch ziemlich teuer. Wie wollen Sie all das finanzieren?

Das ist überhaupt kein Problem. Indem wir die Reichensteuer einführen und Konzerne wie Amazon, die Millionen an der Pandemie verdient haben, hier in Deutschland Steuern zahlen. Das tun sie nämlich momentan nicht. Die, die sich bereichern, können all das finanzieren. Die Problematik ist hier wieder, dass diese Menschen eine sehr gute Lobby haben und die Politik steuern.

Es ist klar, dass vor allem Energie deutlich teuer wird. Den Weg, den die Grünen einschlagen, indem sie die Energie verteuern, halte ich nicht für den richtigen Weg. Wir müssen das sozialverträglich machen, indem es die Menschen finanzieren, die es sich auch leisten können.

Weil Sie das Thema Lobbyismus wiederholt ansprechen: Was müsste denn konkret dagegen unternommen werden?

Der ehrlichste Weg wäre, wenn Parteien gar keine Spendengelder von Konzernen und Lobbyisten mehr annehmen würden, so wie Die Linke. Noch wichtiger ist mir, dass sich Politiker nicht bezahlen lassen dürfen. Für Parteien könnte man auch einen Höchstbetrag festlegen. Mehr Transparenz wäre ein Anfang. Jeder muss offenlegen, von wem er wofür Geld bekommt.

Warum sollten die Wählerinnen und Wähler Ihnen ihr Vertrauen schenken?

Weil wir die einzige Partei sind, die sich richtig für die Menschen einsetzt. Und eben nicht die alte SED-Nachfolgepartei, für die wir oft gehalten werden. Man sieht ja es im politischen Alltag: Wir sind die einzigen, die wollen, dass das Proletariat an die Macht kommt.

Die Linke hat es bei den letzten beiden Wahlen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Warum kann sie die Wählerinnen und Wähler nicht überzeugen?

Das ist die Schuld der Bundespartei. Wir haben sehr viele Strömungen in der Partei. Wir haben die Realos, zu denen ich mich zählen, eine kommunistische Plattform und vieles mehr. Die Grabenkämpfe untereinander haben uns viel kaputt gemacht. Dazu hat auch Sahra Wagenknecht mit ihren Ansichten beigetragen, die ich zum Teil nicht mehr nachvollziehen kann. Sie sitzt mehr bei „Bild TV“ als in der eigenen Partei. Fischt am rechten Rand. Das sind natürlich alles Sachen, die auch die Wähler sehen.

Unsere Analysen haben außerdem ergeben, dass uns die Forderung „Raus aus der NATO“ um die Ohren geflogen ist. Das habe ich persönlich an unseren Ständen gemerkt. Damit konfrontieren uns die Menschen. Sie haben das Gefühl, dass wir damit deren Sicherheit aufgeben wollen.

Unser großes Problem ist, dass wir nicht von den Leuten gewählt werden, die wir vertreten. Wir werden hauptsächlich von Leuten gewählt, denen es eigentlich gut geht und die etwas verändern wollen. Gewerkschafter, Betriebsräte und andere. Die Menschen lassen sich schnell verängstigen und viel erzählen. Nicht jeder ist so politikinteressiert wie Sie und ich. Viele glauben, was in der „Bild“ steht. Und viele sind verdrossen. Die sind der Meinung, dass sie nichts mehr ändern können. Es geht nicht darum, dass die Leute uns nicht wählen, sondern dass sie überhaupt nicht wählen.

Wobei können Sie am besten entspannen?

Die beste Entspannung ist, wenn ich mich auf mein Motorrad setze und durch die Gegend fahre. Dabei bekomme ich den Kopf am besten frei.