20.09.2021

Bahn, das Auto und das Flugzeug im Vergleich

Nachhaltig Reisen

Wer nachhaltig reisen, oder in den Urlaub fahren möchte, muss sich bei den aktuellen Mobilitätsmöglichkeiten zwangsläufig die Frage stellen, ob die Art und Weise wirklich nachhaltig ist, oder nur auf den ersten Blick so scheint.

In Rubrik: Wirtschaft | Aus Magazin Nr: 164

7 min Lesezeit

Der Klimawandel und seine Ursachen sind ein unheimlich komplexes Thema, das merke wir immer wieder. Man kann nicht pauschal sagen, was exakt welchen Einfluss auf unser Klima hat und es gibt unglaublich viele Studien, die zu noch viel mehr Ergebnissen kommen. Je nachdem, wie man eine Rechnung angeht, oder wie man sich etwas schön rechnen möchte, kann man so völlig unterschiedliche Schlüsse ziehen. Das gilt auch fürs Thema „Bahnfahren“. Die einen behaupten, Bahnfahren wäre die perfekte Lösung für die Mobilität der Zukunft, andere wiederum belegen glaubhaft das Gegenteil. Also haben wir mal versucht, uns ein eigenes Bild zu machen, indem wir intensiv recherchiert haben. Natürlich liefern wir keine wissenschaftliche Studie, aber vielleicht bewegen die Ergebnisse ja den ein oder anderen dazu etwas umzudenken.

Mit einem Faltrad in Kombination mit der Bahn kann man sehr unkompliziert reisen,
da das Fahrrad zusammengeklappt als Gepäckstück gilt und kostenfrei mitgenommen werden kann.

Wie ist das mit den Emissionen?
Bahn vs. Auto vs. Flugzeug

Was aus dem Auspuff hinten rauskommt, lässt sich im Grunde ziemlich einfach feststellen – außer man baut irgendeine Vertuschungs-Software in die Fortbewegungsmittel ein, es gibt ja die tollsten Strategien der Big Player der Mobilitätsbranche. Nichtsdestotrotz kann man relativ einfach ein Ranking aufstellen, welches Fortbewegungsmittel welche Emissionen verursacht. Wichtig ist dabei natürlich die Frage, wie viele Personen ein Fahrzeug transportiert. Logisch: Ein Auto mit einer Person ist weniger effizient, als eines mit fünf Insassen, denn der Verbrauch bleibt ja mehr oder weniger gleich. Ebenso ist ein prall gefüllter ICE effizienter, als ein fast leerer. Hier macht es also Sinn, mit möglichst realitätsnahen Mittelwerten zu rechnen. Einem Auto zu unterstellen, dass es immer voll besetzt sei, ist genauso falsch, wie davon auszugehen, dass ein Zug immer halb leer ist. Das Bundesumweltamt stellt solche Berechnungen auf, die man sich zum Beispiel hier anschauen kann: www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsdaten#grafik

Die Werte für die Auslastung klingen für uns jedenfalls einigermaßen realistisch und man kann sich ziemlich leicht ausmalen, was passiert, wenn sie sich ändern. Fakt ist, egal für welches Fortbewegungsmittel: je besser die Auslastung, desto geringer die Emissionen pro Person. Wer sich solche Statistiken mit gesundem Menschenverstand anschaut, wird zu einem brauchbaren Ergebnis kommen.

Kein Auto ohne Straßen. Aber:
auch keine Bahn ohne Schienen.

Was offenbar gerne unterschlagen wird, sind die ökologischen Spuren, die durch die Errichtung und den Unterhalt der Infrastruktur der einzelnen Fortbewegungsmittel verursacht werden. Ein Auto braucht Straßen, die Bahn braucht Schienen, Flugzeuge brauchen Flughäfen. Das alles muss gebaut und gepflegt werden. Und auch die Fahrzeuge selbst müssen gebaut, gepflegt, gewartet und irgendwann entsorgt werden. Rechnet man all diese Faktoren mit ein, stehen vermeintliche „Umweltschweine“ plötzlich deutlich besser da. Vor allem dem Flugzeug kommt das scheinbar entgegen. Das benötigt nämlich „nur“ Flughäfen – deutlich weniger Aufwand, als tausende von kilometerlangen Straßen oder Bahntrassen. Dazu haben wir einen Spiegel Online Artikel mit interessanten Ergebnissen gefunden:

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/co2-emissionen-bahnfahren-ist-nicht-so-klimafreundlich-wie-gedacht-a-629267.html

Demnach steht die Bahn immer noch gut da, das Flugzeug holt aber ebenfalls ordentlich auf. Autos hingegen haben wenig Chancen. Trotzdem ist eine Bahnfahrt, die einen nachvollziehbaren Grund hat, tausendmal besser einzustufen, als ein sinnloser Billigflug, der einzig und allein dem Amüsement dient.

Also mal ehrlich: Geht denn dann
nachhaltiges Reisen überhaupt?

Unsere Schlussfolgerung all dieser Informationen lautet also keinesfalls: “Nimm die Bahn und alles ist gut.”

Vielmehr sollte man jede Reise an sich in Frage stellen. Denn – irgendwie logisch – jedes Mal, wenn man sich mit großer Geschwindigkeit und ohne eigene Kraft aufzuwenden, fortbewegt, wird viel Energie benötigt. Also ist die klimafreundlichste aller Varianten immer noch, gar nicht zu verreisen. Unserer Meinung nach lohnt es sich, einfach mal den Kopf einzuschalten und ein bisschen nachzudenken. Vor allem lohnt es sich, das scheinbar fest in den Köpfen verankerte „Grundrecht auf freie Mobilität“ mal zu hinterfragen. Ist es wirklich so, dass jeder Mensch jederzeit für 19,99 Euro nach Mallorca fliegen können muss? Ist es richtig, wenn jemand täglich stundenlang von seinem Wohnort zur Arbeit pendelt und ist das ein Verhalten, das jedem Menschen einfach so zusteht? Muss man mehrmals im Jahr an exotischen Reisezielen Urlaub machen? Muss es sein, den Weg zum Bäcker mit dem Auto zu erledigen? Es gibt noch viele weitere Szenarien, die man so hinterfragen kann und nur wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und jeder das tut, was für ihn selbst vertretbar ist, werden wir das Thema der Emissionen vielleicht in den Griff bekommen.

Mit dem Fahrrad und der Bahn bis nach Afrika? Keine Strafe, sondern ein unglaubliches Abenteuer!

Also grundsätzlich lieber zu Hause bleiben?
Unser Fazit zum Thema Bahn und Nachhaltigkeit

Und was ist jetzt unser Fazit aus all dem? Natürlich ist es total schön, dass jeder Mensch sich heute relativ frei entfalten und somit auch frei bewegen kann. Solange er damit niemandem schadet, gibt es überhaupt nichts dagegen einzuwenden. Trotzdem sollte sich, so finden wir, jede/r fragen: Handle ich so, dass ich mit gutem Gewissen meinen Mitmenschen und folgenden Generationen gegenüber agiere? Oder ist mein Verhalten, in diesem Fall also mein ökologischer Mobilitäts-Fußabdruck, ein echtes Problem? Wir finden: Wer zum Beispiel jedes Wochenende aufwendig verreist, sollte sich durchaus mal fragen, ob das wirklich sein muss. Dabei ist es fast egal, ob mit dem Auto, der Bahn oder dem Flugzeug. Keine Bahnfahrt ist besser, als eine sinnlose Bahnfahrt. Wer jeden Tag stundenlang pendeln muss, der kann sich durchaus mal fragen, ob die Arbeit beziehungsweise der Wohnort wirklich optimal gelegen ist. Und wer seine Kinder jeden Morgen im SUV zur Schule fährt, könnte einmal in sich kehren und überlegen, wie Generationen von Schülern das vor 50 Jahren nur hinbekommen haben. Wir haben schon oft erfahren, dass es keine Strafe ist, sich anders fortzubewegen. Wie zum Beispiel unsere Reise nach Afrika: Zwei Wochen reichen total aus, um per Fahrrad und Bahn bis nach Marokko zu kommen. Und auf diese Weise war es tausendmal spannender, als wenn man in vier Stunden dahin geflogen wäre.

Was wirklich sein muss und was purer Luxus ist – darüber lässt sich sicherlich mal wieder prima streiten. Worüber man hingegen eigentlich nicht mehr streiten kann ist, dass wir Menschen unsere Mobilität einschränken müssen, und zwar schnell. Wenn jeder versucht, seinen Mobilitäts Drang zu überdenken und hier und da zu optimieren, ist das ein erster Schritt und alles andere, als eine Strafe. Im Urlaub seine Heimat (neu) zu entdecken, kann total viel Spaß machen und ist keineswegs eine Einschränkung. Die Brötchen zu Fuß oder mit dem Fahrrad abzuholen, statt mit dem Auto, wirkt total belebend und ist gesund – dass Bewegung dem persönlichen Wohlbefinden und der Gesundheit förderlich ist und somit am Ende sogar gut für die Wirtschaft ist, das ist mittlerweile hinreichend wissenschaftlich belegt. Mit der Bahn zu fahren hat unheimlich viele Vorteile gegenüber dem Autofahren – wer es probiert hat, kann das vermutlich bestätigen. Wer kategorisch nichts ändern möchte und Argumente wie „Das passt aber nicht in meinen Lebensentwurf!“, „Mit Kindern geht das doch nicht!“ oder „Das ist doch viel zu teuer!“ anbringt, versucht es ja noch nicht einmal und verhält sich dabei gegenüber Mitmenschen und vor allem gegenüber zukünftiger Generationen einfach unfair.

Last but not least sind wir alle Vorbilder: Wie soll sich jemals etwas ändern, wenn wir nicht bei uns anfangen?

Text und Fotos: Martin Donat, Stephan Peters (lifecyclemag.de)