20.09.2021

Märchen

. . . und wenn sie nicht gestorben sind – dann leben sie noch heute . . .

Aus Magazin Nr: 164

6 min Lesezeit

MÄRCHEN - dieses Wort weckt die schönsten Erinnerungen an unsere Kindheit mit ihrer grenzenlosen, kindlichen Fantasie. Vielleicht erinnern wir uns noch an die zauberhaften „Gute-Nacht-Geschichten“. Wir genossen die beruhigende Wirkung der Märchen, in denen das Gute vom Bösen klar abgegrenzt ist und die Gerechtigkeit siegt. Wir fieberten dem glücklichen Ende entgegen, an dem der Märchenheld zum König wird, nachdem er eine lange, beschwerliche Wegstrecke auf sich nimmt. Das vermittelte uns eine Menge Zuversicht und Geborgenheit und ließ uns beruhigt einschlafen. Wir träumten von edlen Prinzen, verzauberten Prinzessinnen, zarten Feen, starken Rittern und anderen geheimnisvollen Gestalten. Keines der heutigen elektronischen Medien kann dieses Gefühl ersetzen. Bleibt eventuell bei den aufwendigen Fernsehmärchen die eigene Fantasie „auf der Strecke“ ?

MÄRCHEN - haben sie uns modernen Menschen in einer Zeit voller Informationen, Sensationen und Techniken noch was zu sagen? - Ich glaube ja! Nicht Allen, aber denen, die sich auf die Märchen einlassen, die bereit sind zuzuhören und einzutauchen in eine zauberhafte Welt. Wer das kann, der wird auch heute noch genau so bereichert, wie unsere Vorfahren.

MÄRCHEN - müssen nicht erfunden, sondern gefunden werden. - Seit einigen Jahren bin ich auf der Suche nach vergessenen Volksmärchen, die in alten Büchern, in verschnörkelten Worten, schlafen. Ich wecke sie auf, kleide sie in verständliche Worte. So gewinnt das Märchen wieder Lebensnähe. Durch den eigenen Erzählstil, mal heiter, mal ernst, lasse ich sie wieder aufleben, bevor sie ganz verloren gehen. Es macht mir Freude, meine Zuhörer in eine bunte Märchenwelt zu entführen, in eine Welt voller Symbole und Weisheiten. Lassen wir uns auf die Märchen ein, dann ziehen fantastische Bilder an unserem inneren Auge vorbei und lassen uns träumen. - „Kommen Sie mit . . . „

„Wie lahm sind die Märchen im Buch – wie lebendig werden sie, wenn sie erzählt werden“

MÄRCHEN - wollen nicht belehren - sie wollen bezaubern. Sie sind Bilder hinter der Wirklichkeit und spiegeln unsere geheimen Wünsche und Ängste wider. Und so beginnen die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm stets mit „es war einmal . . .“ Sie erzählen „von alten Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat“. So muten sie den Zuhörern endlose Gedankenwege zu und ziehen Parallelen zu eigenen Lebenssituationen.

Spricht das Märchen symbolisch von einem dunklen Wald, den der Märchenheld mutig durchwandern muss, um trotz aller Hindernisse, sein Ziel zu erreichen, so spricht es hoffnungsvoll unseren Lebensweg an, der in eine ungewisse Zukunft mit Hindernissen und Bewährungsproben führt. - Spricht das Märchen von einem glücklichen Ende, so weist es hoffnungsvoll auf das Lebensziel eines jeden Menschen hin. Schauen wir auf die Symbole im Märchen, so können sich Türen öffnen und wir finden uns wieder im Hier und Heute.

Meine Begeisterung für die Märchen - Ich hörte eine Märchenerzählerin – und war hin und weg! Mir war bewusst: „die Volksmärchen, wie auch die Volkslieder, müssen erhalten bleiben“ . Ich nahm Kontakt zur Europäischen Märchengesellschaft auf, wurde Mitglied, und lernte viele großartige Erzähler kennen. Wir tauschen die erzählenswerten Geschichten und Erfahrungen aus. Nicht jedes Märchen spricht uns an. Nicht jedes Märchen ist erzählenswert. Es tun sich, neben den „Grimm“ (die ich sehr schätze) spannende Themen auf. So wuchs nach und nach meine Begeisterung für dieses Kulturgut unserer Vorfahren, für die Märchen aller Völker, aller Religionen, aller Sitten und Gebräuche. Denn Märchen gespannt hören und Märchen von Herzen erzählen kann zutiefst glücklich machen. Lassen auch Sie sich verzaubern. Ich entführe Sie in die mystische Welt der Kobolde und Zwerge, Könige und Prinzessinnen, Feen und Fantasiewesen.

Warum ich das schreibe? . . . Vielleicht fühlt sich jemand angesprochen, spürt meine Begeisterung und möchte, mit vielen Märchenerzählern, dieses kostbare Erbe unserer Vorfahrten bewahren. Denn dieses wertvolle Kulturgut muss erhalten bleiben! Es schafft Brücken zu fernen Ländern und fremden Kulturen. - Habe ich Ihr Interesse geweckt - dann wenden Sie sich gern an mich.

Sigrid Grobe - Märchenerzählerin auf der Haar -

Telefon: 02938- 3324 · e-mail: grobesigrid@yahoo.de

Und natürlich habe ich ein kleines Märchen aus Indien . . . nicht spektakulär, aber wahr . . .

Der Apfel mit dem kostbaren Kern

Es war einmal ein König – der hielt an jedem Morgen in seinem Palast eine Sprechstunde ab. Jeder konnte seine Wünsche oder Sorgen vortragen. Er hörte sich an, was sein Volk auf dem Herzen hatte.

Seit Langem schon kam in diese Sprechstunde ein weiser Alter. Er verbeugte sich tief, fast bis zum Boden, zog einen Apfel aus der Tasche und überreichte ihn dem König. Dann verließ er den Saal, wortlos wie er gekommen war. Anfangs hatte der König den Apfel noch angeschaut und hatte ihn dann dem Großwesir gereicht. Der schaute ihn nicht einmal an, sondern gab ihn weiter an den Diener. So wurde der Apfel weiter und weiter gereicht, bis zum letzten Diener. Der lief damit durch die Flure bis zur allerletzten Kammer, öffnete die Tür einen Spalt breit, warf den Apfel hinein und verschloss die Tür - jeden Morgen das Gleiche. Einmal geschieht es, dass im Vorhang des Saales ein Kapuzineräffchen hängt.

Das Äffchen sieht den Apfel, saust blitzschnell am Vorhang herab, greift den Apfel und beißt hinein.

Und denkt euch - aus dem Apfel fällt ein leuchtender Rubin. Der König springt vom Thron, hebt den Rubin auf und legt ihn auf seine Hand. Die Sonne scheint geradewegs darauf und lässt ihn dunkelrot erstrahlen. „Wesir, wo sind die anderen Äpfel?“ Der Wesir erschrickt und lässt den Diener rufen. Der weise Alte ist verschwunden. König, Wesir und Diener laufen den Flur entlang bis zur letzten Kammer. Sie öffnen die Tür. Es ist finster und ein Licht muss geholt werden.

Da sehen sie - aus den verschrumpelten Äpfeln rollen Edelsteine hervor, Edelsteine in allen Farben erhellen die Kammer.

So ist es auch mit den Märchen - kaum beachtet und äußerlich unscheinbar, ist ihr Kern, ihre Botschaft und ihre verborgenen Weisheiten von großer Bedeutung.

Sie sind ein Schatz! Glücklich - wer mit diesem Schatz lebt.